Читать «Немецкий с улыбкой. Учись смеяться не плача / Lerne lachen ohne zu weinen» онлайн - страница 10

Курт Тухольский

– „Die Zeitungen?“

– „Alle Obrigkeit kommt von Gott. Man muss sich nicht gegen das Gegebene auflehnen – das bekommt dem Inseratengeschäft nicht. Es sind Musterschüler; sie werden eine gute Zensur bekommen. Nach vier Wochen ist Ruhe im Lande… ‚Wenn auch… so doch immerhin…‘ “

– „Schlafen Sie nicht ein!“

– „Verzeihen Sie: ich sah im Geiste Leitartikel. Geben Sie mir bitte noch etwas Kaffee. Auch in den Provinzstädten wird man auf die Dauer nicht zufrieden sein. Gewiss, die Jugend ist verhetzter als je, die Studenten hochfahrender, die Umzüge zahlreicher… aber die Jugend hat im Grunde andre Sorgen. Und dann eben… langsam… die Enttäuschung…“

– „Worüber?“

– „Dass Berlin nicht dem Erdboden gleichgemacht ist. Dass die Not andauert. Dass auch jetzt nicht die Arbeitsgelegenheiten aus der Luft geflogen kommen. Dass die Butter nicht billiger wird. Leise, ganz leise kommt die Unzufriedenheit. Davon spricht aber kaum einer.“

– „Die öffentliche Meinung?“

– „Bewusst entpolitisiert, bei einem Höchstmaß von politischen Schlagworten. Bündischer Unfug… Demonstrationen… Fahnen… im übrigen lenkt uns eine hochwohlweise Regierung. Das haben die Deutschen immer so gehalten. Verloren ist allerdings, wer in diesen Jahren der Justiz in die Finger fällt. Mit dem ist es dann aus. Kurz: es ist eine Nachahmung des Fascismus – so, wie sie alles nach-ahmen… wie sie nicht einmal fähig sind, sich eine Bewegung für sich und aus sich heraus zu schaffen. Der Marsch auf Rom! Das war ein faszinierender Filmtitel. Auf Berlin marschieren sie gar nicht. Nach Berlin werden sie nur fahren, wenn sie sich von der Mittelstadt erholen wollen. In Berlin fallen sie nicht auf, wenn sie auf die Weiber gehen. Widerstand —? Verzeihung… ich fühle, dass Sie das fragen wollen… Widerstand? Nein, den finden sie wohl kaum. Von wem denn auch? Von dem bisschen Republik? Die hat in zwölf Jahren nicht verstanden, echte Begeisterung zu wecken, Menschen zur Tat zu erziehen, nicht einmal in ruhigen Lagen, wie denn, wenn es Kopf und Kragen zu riskieren gilt? Widerstand? Lieber Herr, das Land ist so weit entfernt von jeder Revolution! Dies ist ein Volk, das noch nicht einmal liberal ist. Die vielgelästerte Verwestlichung ist gar nicht so tief eingedrungen… sie halten mildübertünchte Korruption für Parlamentarismus, wirres Geschwätz Aller für Selbstbestimmungsrecht, Ressortstank für Politik, Vereinsmeierei für Demokratie… sie sind nie liberal gewesen, auch 48 nicht. Sie spüren nicht, dass die Welt um sie herum anders denkt und anders fühlt… sie spielen ihren politischen Skat ohne Partner. Wirft der andre die Karten hin, dann glauben sie, sie hätten gewonnen. Es ist ein Inselvolk.“

– „Die deutschen Brüder im Ausland?“

– „Werden sich ein paar Unannehmlichkeiten mehr zuziehn. Und das bisschen Kulturfassade, das kleine bisschen deutscher Freiheit – es ist zum Teufel.“

– „Das ist alles?“

– „Das dürfte alles sein. Ob es geschieht, weiß ich nicht. Wenn aber —: dann so. Übrigens… ich bin Hellseher… ich hatte eine Vision: Sie werden mir diese Sitzung honorieren… Ich dachte an hundert Mark?“