Читать «Зимние праздники. XIX - начало XX в.» онлайн - страница 318

Юлия Валерьевна Иванова-Бучатская

* * *

Die Volksbräuche und — riten sind Denkmäler der Vergangenheit des Volkes. Viele davon sind mit bestimmten Kalenderdaten verbunden und meistens an christliche Festtagen angeknüpft; dennoch offenbart die aufmerksame Erforschung der kalendarischen Volskriten, dass deren Grundlage die Bräuche und Gewohnbeiten bilden, die sich lange vor der Verbreitung des Christentums in Europa gestaltet haben. Die «vorchristlichen» Elemente sich auch heute in fast alien Ritualien und Glaubensvorstellungen, die mit den Kirchenfesttagen verbunden sind, ganz deutlich sichtbar: es gehören hierher verschiedene abergläubische Omina und Wahrsagen bezüglich des Wetters und der Ernte, sowohl hinsichtlich bestimmter Veränderungen im Familienleben — Heirat, Kindergeburt, Sterben usw.; rituelle Mahlzeiten; verschiedene Verbote und Beschränkungen; Volksspiele, Tänze, Amüsements; feirliche Umzüge mit Glückwünschen und Liedern; Verkleidungen und Maskeraden; Ritualfeuer; Festgeschenke; Volksglauben von Teufeln und Hexen, usw.

Diese mannigfaltigen Volksbräuche erweisen sich als sehr ähnlich bei verschiedenen Völkern Europas. Dennoch sind sie verschiedentlich unter den bestimmten Kalendertagen des kirchlichen Jahres verteilt: bald sind sie an eines Heiligen Tag, bald an des anderen angeknüpft, bald an Weihnächten, bald an das Neujahr.

Ausser der kirchlich-christlichen Aufschichtungen, und teilweise damit verbunden, tritt auch der Nachlass der antiken Tradition zutage: die altgriechischen und römischen Festtage, die zu bestimmten Zeitpunkten des Wirtschaftsjahres gefeiert wurden.

Diesen altertümlichen Riten, Bräuchen und Glaubensvorstellungen lag aber offensichtlich die Arbeitserfahrung des alten Ackerbauers und Viehzüchters zugrunde, seine Sorge um die Ernte, sein Bestreben, sie mit allen möglichen Mitteln zu bekommen und zu erhalten, sowie auch seine Sorge um das Vieh, um die ganze Wirtschaft. Dazu schloss sich auch das Bestreben, das Schicksal der Menschen selbst zu prophezeihen. Daher verschiedene Zauberakten und Aberglauben.

Die vorliegende 1-te Lieferung der Sammelarbeit, die im Ganzen den Volkskalenderbräuchen gewidmet ist, bezieht sich auf die Winterperiode dieser Bräache. Die Herausgabe anderer Lieferungen, den Frühlings-, Sommer- und Herbstriten gewidmet, ist vorausgesehen.

Der Winterzyklus der Feste, der ungefähr den Zeitraum zwischen Ende Oktober und Anfang Januar umfasst (die genaueren Datenangaben stimmen bei verschiedenen Völkern nicht überein), ist besonders reich an Glaubensvorstellungen, Wahrsagungen und Rituellen. Diese Tatsache ist durch die materiellen Gründe zu erklären: Wichtigkeit der rechtzeitigen Vorbereitung des bevorstehenden Wirtschaftsjahres, dessen erste Vorzeichen seit der Wintersonnenwende zu Tage kommen: an diesen Zeitpunkt (25/XII — 6/I) wird auch die Mehrzahl der Riten und Aberglauben angeknüpft.

Neben den gemeinsamen Zügen, die bei allen europäischen Völkern (teilweise auch bei den aussereuropäischen) auftreten, kommen auch regionale Unterschiede zutage, die zum Teil mit den geographischen Bedingungen verbunden sind (Süd-, Mittel-, Nordeuropa), — daher auch verschiedene Wirtschaftsrichtungen (Ackerbau, Bergviehwirtschaft), — zum Teil auch mit den konfessionellen Besonderheiten: z. B. am 6. Januar — die Taufe Christi bei den ortodoxen Völkern, und «Dreikönigstag» bei den Katholiken und Evangelisten: daher Wassereinweihen in Osteuropa, Dreikönigsumzüge in Westeuropa. Diese regionale Unterschiede sind aber bisher ungenügend erforscht worden.